Stefan Bachinger ist 26 Jahre alt und seit einem Jahr und drei Monaten Pfleger auf der Intensivstation der Neonatologie in der Klink Ottakring.
Im Interview erzählt er von seinem Weg in die Pflege und gibt Einblick in den Alltag und den täglichen Herausforderungen des Berufs. Zudem spricht er über notwendige Veränderungen, die es braucht, um den Beruf attraktiver zu machen und so den Mangel an Pflegekräften entgegenzuwirken,
von Magdalena May
Stefan, du hast ja eine Grafik HTL in Linz besucht und nach Ende deines Zivildienstes begonnen, Kommunikationswirtschaft zu studieren. Wie kam es, dass du dich entschieden hast, in den Gesundheitsbereich zu wechseln und warum?
Sehr ausschlaggebend, dass ich überhaupt in den Gesundheitsbereich gewechselt bin, war die Zeit beim Zivildienst. Danach war ich eine Zeit lang im Marketing tätig, habe aber schnell gemerkt, dass das, was ich im Zivildienst lernen und sehen durfte, die Menschen und Schicksale, einfach viel stärker berührt haben, als das was ich im Marketing getan habe. Ich wollte den Menschen helfen und sie in der Situation, in der sie sich gerade befinden, begleiten und unterstützen.

Wie lief deine Ausbildung zum Kranken- und Gesundheitspfleger ab? Würdest du sagen, dass die Ausbildung dich gut für den Alltag als Pfleger vorbereitet hat?
Ich habe das Bachelorstudium Gesundheits- und Krankenpflege an der FH-Campus absolviert. Die Semester, bis auf eines, setzen sich immer aus einem Theorie- und einem Praxisblock zusammen. Im Theorieblock erlernt man das medizinische Wissen und verschiedene Pflegeprozesse. Danach geht man für circa zwei Monate in ein Praktikum. Zu Beginn in der Langzeitpflege und auf normalen Bettenstationen in Krankenhäusern und über die Jahre hinweg, dann auch in spezifischeren Pflegebereichen, wie Psychiatrie oder Kinderstationen. Insgesamt waren es bei mir zehn verschiedene Praktika. Damals waren die Praktika noch unbezahlt, aber seit der Pflegereform heuer, bekommen Studierende 600 Euro pro Monat während des gesamten Studiums. Die Realität der Pflege, mit allen Härten, mit allen schönen, emotionalen und tränenreichen Facetten war, ab den ersten Praktikumstag sofort spürbar. Und das hat mich sicher vorbereitet.
Derzeit bis du Pfleger auf der Intensivstation der Neonatologie in der Klinik Ottakring. In welchem Ausmaß bist du dort angestellt und wieviel verdienst du?
Ich bin Vollzeit angestellt, das bedeutet bei der Stadt Wien als Pflegeperson, 40 Wochenstunden und diese arbeite ich im Schichtdienst. Ich kann an sieben Tagen der Woche eingesetzt werden, auch am Wochenende, Feiertagen und in der Nacht. Die Dienste können unterschiedlich lang sein. Allerdings habe ich meistens entweder Tag- oder Nachtdienst, d.h. 12 ½ Stunden-Dienste. Tagdienste fangen um 6:30 Uhr an und hören um 19:00 Uhr auf und bei Nachtdiensten ist es umgekehrt. Sonn- und Feiertage werden besser bezahlt und bei Nachtdiensten bekomme ich Nachgutstunden. Pro Nachtdienst sind das zwei Stunden, die ich sammeln kann und mir dann als freien Dienst eintragen lassen kann. Die Bezahlung ist kein Geheimnis. Die Stadt Wien hat hier ein genaues Schema. Ich verdiene derzeit im zweiten Berufsjahr 3.610 Euro brutto und dann kommen noch die Zuschläge aus Diensten an Sonn- und Feiertagen dazu.
Wie sieht dein Arbeitsalltag aus? Beschreibe bitte mal kurz, welche Patienten du dort betreust und was genau deine täglichen Aufgaben als Pfleger dort sind.
Auf der neonatologischen Intensivstation betreuen wir derzeit Frühgeborene ab der 26. Schwangerschaftswoche und Neugeborene, die mehr medizinische und pflegerische Unterstützung brauchen. Am Beginn jedes Dienstes findet eine Übergabe, wo wir spezifische Details über den aktuellen Gesundheitszustand der Kinder von den Pfleger:innen des Vordienstes bekommen. Meine Tätigkeiten umfassen medizinisch-diagnostische Dinge, wie Blutabnahmen oder bei Röntgen dabei zu sein, und pflegerische Aufgaben, wie das Waschen, Füttern und Versorgen von Wunden. Aber auch Bauchmassagen oder Darmspülungen zur Förderung der Verdauung werden von uns durchgeführt. Wie viele Kinder wir pro Dienst betreuen, hängt vom Zustand des Kinder und der Intensität der Pflege ab. Insgesamt haben wir Kapazität für 14 Kinder. Im Durschnitt betreue ich am Tagdienst ein bis drei Kinder. Im Nachdienst kann es sein, dass ich auch bis zu vier Kinder betreue.
Was schätzt du an deinem Beruf?
Die Arbeit mit den Kindern. Das ich direkt am Bett stehen darf, das Kind angreifen und mit ihm reden kann. Auch zu sehen, welchen Impact mein Handeln auf die Gesundheit des Kindes hat. Aber auch das mich das persönlich an meine Grenzen bringt und mich die Kinder dort berühren, wo es für mich vielleicht auch unangenehm ist und wo ich noch an mir selbst arbeiten muss. Also das ich sie in einer Form berühren darf und sie mich.
Was sind die täglichen Herausforderungen? In welchen Situationen, fühlst du dich hilflos und ohnmächtig in deinem Tätigkeitsfeld?
Es gibt genug Situationen, wo ich manchmal anstehe, weil ich durch meine geringe Berufserfahrung gewisse Dinge noch nicht gesehen habe. Mein Alltag ist hier einfach noch von viel Unsicherheit und Unbekannten geprägt. Aber es wird besser und die Erfahrungen werden mehr und ich werde sicherer dabei. Herausfordernd ist auch oft, genug Ruhe für mich zu bekommen, damit ich dann wieder mit einem vollen Energie Akku die Kinder betreuen kann.
Wofür würdest du dir gerne mehr Zeit in deinem Beruf nehmen, kannst es aber nicht, weil es die Rahmenbedingungen nicht zu lassen oder schlicht und weg die Zeit fehlt?
Solche Dinge gibt es täglich. Es liegt halt daran, wie unser System aufgebaut ist und wie der Betreuungsschlüssel aussieht. Das ist auch ein politisches und strukturelles Problem, das dazu führt, dass unser Beruf an Grenzen gebracht wird, die man vermeiden könnte. Das würde aber auch bedeuten, dass wir weniger Kinder betreuen bzw. weniger Zeit für andere, administrative Tätigkeiten haben. Es geht darum, dass es uns gut geht bei Ausübung des Berufes und wir uns nicht selbst in dem System krank pflegen. Das wir auch zu 100 Prozent leistungsstark sind, damit wir die Schicksale der Menschen, die wir betreuen, mittragen können und nicht daran kaputt gehen.
Du verbringst durch deinen Beruf viel Zeit mit Neugeborenen und bist ja neben den Eltern auch eine Art Bezugsperson. Wie gehst du mit schweren oder ausweglosen Schicksalen um?
Natürlich belasten mich die Schicksale und lösen Trauer und Schmerz in mir aus. Eine große Stütze zur Bewältigung ist das Reden mit Kolleg:innen darüber. Mir hilft es auch schon sehr, wenn ich die Bereichskleidung ablege und dann zu Hause wieder Energie schöpfe. Manchmal dauert das natürlich auch etwas länger. Zeit mit Personen zu verbringen, die nichts mit der Klinik zu tun haben, unterstützt mich dabei, auch einen gewissen emotionalen Abstand zu finden.
Wie hoch ist Belastung durch deinen Job? Wie schaffst du den Ausgleich zu diesem herausfordernden Job?
Die Belastung ist schon groß, sowohl physisch als auch psychisch. Daher ist es auch wichtig einen Ausgleich zu schaffen. Sport ist dabei für mich essentiell. Ich fahre zum Beispiel immer mit dem Rad in die Arbeit. Aber vor allem finde ich den Ausgleich bei Sportarten, wie zum Beispiel dem Klettern und dem Bouldern, wo ich runterkomme und mich nur auf das fokussieren muss, was ich gerade mache. Aber auch das Meditieren hilft mir sehr. Seit einem halben Jahr nehme ich auch regelmäßig Psychotherapiestunden wahr.
In Anbetracht des aktuellen Pflegekräftemangels, welche Veränderungen braucht es deiner Meinung nach, um den Beruf attraktiver zu machen?
Ich glaube, dass es ganz stark ein gesellschaftliches Verständnis von Pflege braucht. Weg von dem Denken, Pflege als selbstverständlich, als Beruf der Frau, der Familie oder als Hilfsarbeitskraft anzusehen. Sondern Pflege viel mehr als professionelles Berufsbild zu sehen, wo mit viel Anstrengung Gutes bewegt werden will. Dass es weniger um Korruption und Machtbesessenheit geht, sondern um eine gute Begleitung des Menschen, sei es jetzt medizinisch, pflegerisch oder therapeutisch. Wichtig wäre auch ein Angebot an Supervision und Psychotherapie für Pflegepersonal sowie regelmäßige Fortbildungen, die auch außerhalb der Arbeitszeit gezahlt werden. Das der Pflegeprozess mehr im Fokus steht und auch besser finanziell, aber auch zeitlich honoriert wird.
Was würdest du jemanden empfehlen, der sagt er interessiert sich für den Pflegeberuf? Welche Voraussetzungen muss man für den Pflegeberuf mitbringen?
Grundsätzlich muss man eine Leidenschaft haben mit Menschen zusammenzuarbeiten. Es sind keine Maschinen, sondern es sind pure Leidenschaft und Emotionen. Es sollte einem bewusst sein, was einem da erwartet und dass der Beruf auch stark fordernd ist. Es erwartet einem schon viel Stolpersteine und Hindernisse. Aber vor allem muss es Spaß machen. Nach dem schon so sehnlichst nach Pflegepersonal gesucht wird, einfach anrufen, vorbeikommen oder Mail schreiben. Man kann auch mal einen Tag auf einer Station schnuppern.