Hustle Culture und Quiet Quitting

Die „Hustle Culture“ glorifiziert Überstunden und so viel wie möglich zu arbeiten, das Phänomen des Quiet Quitting steht dem gegenüber. Es geht darum nur so wenig wie notwendig zu arbeiten. Wir haben uns das Thema näher angeschaut und Johanna Klösch von der Arbeiterkammer Wien dazu befragt.

Unter „Hustle Culture“ versteht man eine gewisse Art zu arbeiten, meistens zu viel und ohne Pausen. Das Wort „Hustle“ kommt aus dem Englischen und bedeutet unter anderem eilen, hasten oder Gedränge. Es geht vor allem darum sich für den beruflichen Erfolg, Reichtum oder Anerkennung aufzuopfern und das Privatleben und die Freizeit hintenanzustellen. Dabei geht man oft über seine eigenen Belastbarkeitsgrenzen hinaus. Meistens werden freiwillige Überstunden zur Norm und viele arbeiten auch am Wochenende. All das immer mit dem Druck der ständigen Erreichbarkeit für die Kolleg*innen im Hinterkopf. 

Gesundheitliche Auswirkungen der „Hustle Culture“

Für den Körper sind lange Arbeitstage mit zu wenigen Pausen und zu wenig Schlaf sehr schädlich. Eine Studie des American Journal of Industrial Medicine stellte fest, dass das Risiko an einer koronaren Herzkrankheit zu erkranken bei 61 bis 70 Arbeitsstunden in der Woche um 42 Prozent steigt. Bei 71 bis 80 Stunden Arbeit in der Woche steigt das Risiko sogar um 63 Prozent. Eine andere Studie von The Lancet, stellte zudem fest, dass das Risiko eines Schlaganfalls mit der Anzahl der Arbeitsstunden steigt.  

Johanna Klösch von der Arbeiterkammer erzählt im Gespräch mit Michael Baumgartner unter anderem über Burnout und weitere negative Auswirkungen der Hustle Culture auf die Gesundheit. 

Psychische und körperliche Schäden drohen

Bei einem übermäßig hohem Arbeitspensum kommt es der Expertin zufolge letztlich sogar zu einer Selbstausbeutung. Mitverantwortlich sind dafür soziale Medien, wie LinkedIn, auf denen oft mit immer mehr Arbeit geprahlt wird. Auswirkungen der „Hustle Culture“ können sich auf der einen Seite psychisch in Form von Depressionen, Angststörungen oder Schlafstörungen äußern. Auf der anderen Seite kann das permanente Arbeiten auch zu körperlichen Krankheiten, wie Herzinfarkten oder Schlaganfällen, führen. Vor allem bei Burnout-Diagnosen ist ein klarer Zusammenhang mit einer zu hohen Arbeitsbelastung ersichtlich.

Verantwortung vor allem bei Unternehmen

In der Verantwortung sieht Johanna Klösch vor allem die Arbeitgeber*innen: „Die haben hier eine Pflicht und müssen Arbeit sicher bzw. gesund gestalten“, so die Expertin. Laut ihr findet vor allem in der jüngeren Generation jedoch ein Umdenken zugunsten einer gesünderen Arbeitseinstellung statt. Denn eine ausgewogene Work-Life-Balance wird vielen Menschen immer wichtiger.

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Nicht nur die Arbeitsstunden sind entscheidend

Der Imker Georg Fink ist ein Beispiel dafür, dass es oft nicht nur auf die Arbeitsstunden, sondern auf die Art der Arbeit ankommt. Er war über 20 Jahre lang im Bankenberiech tätig und hat sich nach einer persönlichen Krise dazu entschlossen seinen Managementjob hinter sich zu lassen und Imker zu werden. Er vergleicht seinen früheren Job mit der Arbeit bei den Bienen in der Natur folgendermaßen: „Von der Arbeitszeit ist es jetzt intensiver, denn jetzt gibt es nur Arbeit und Schlaf und kurze Essenspausen. Zumindest in der Saison ist das so, im Winter ist das anders. Vom positiven Stress her, von dem immer gesprochen wird, ist es natürlich jetzt viel voller als früher. Früher war vielmehr negativer Stress: destruktiv, zurückgerichtet.“ Er sieht seine Arbeit im Gegensatz zu seinem Managementjob als etwas an, dass nicht nur ihm selbst, sondern allen etwas nutzt. „Jetzt kann ich selbst Entscheidungen treffen, die für die Bienen, für uns alle und für mich, Sinn machen. Das ist so ein großes Privileg, dass, obwohl es jetzt noch intensiver ist, ich viel mehr Kraft habe, das zu schaffen.“

Quiet Quitting als Ausdruck des Frustes

Vielen Menschen, denen ihr Job zu viel wird, streben, aber keinen Berufswechsel an. Sie möchten ihren jetzigen Arbeitsalltag ausgeglichener gestalten und sich nicht mehr für die Arbeit aufopfern. Quiet Quitting, oft als Pendant zur „Hustle Culture“ gesehen, ist ein Phänomen, bei dem vor allem junge Leute ihre Arbeit auf jene Aufgaben reduzieren, die vertraglich festgelegt wurden. Sie sind nicht mehr bereit, mehr als notwendig zu arbeiten. Quiet Quitting ist ein Phänomen, dass besonders seit der Corona-Pandemie bei der Generation Z ein Thema wurde, es ist allerdings nicht neues. Schon vor Jahren war die „Innere Kündigung“ ein viel diskutiertes Thema. IFES-Geschäftsführer Reinhard Raml erklärt in einem Interview gegenüber dem Kurier wie folgt, weshalb ausgerechnet jetzt wieder so viel darüber gesprochen wird: „Angesichts der aktuellen Krisen sind wir überlastet und psychisch belastet. Der Arbeitskräftemangel spielt da mit. Viele denken nun darüber nach, den Job zu wechseln. Die Rahmenbedingungen sind dafür jedoch zu unsicher und die Leute fühlen sich in ihrem Job gefangen. Deswegen ziehen sie sich zurück. Es ist ein Ausdruck des Frustes und eine Art, mit der Überforderung umzugehen.“

Vor allem die Wertschätzung im Beruf und die eigene physische sowie psychische Gesundheit stehen hier im Mittelpunkt. „In den jüngeren Generationen kann man einen größeren Fokus auf das eigene Wohlbefinden beobachten. […] Man arbeitet um zu leben und lebt nicht um zu arbeiten.“ so die Arbeitspsychologin Johanna Klösch.

Mehr zum Thema Quiet Quitting erzählt Johanna Klösch von der Arbeiterkammer im Gespräch mit Cléo Lança-Gil.

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